Marienhain wird "Drehkreuz" für ukrainische Flüchtlinge im Kreis Vechta

Auch an die Kleinen wurde gedacht: Auf den Betten im Marienhain in Vechta warten Kuscheltiere auf die Ankömmlinge aus der Ukraine. Foto: Ebert

Überlässt das Wohnheim mietfrei: Offizial Wilfried Theising (links) im Gespräch mit Tobias Gerdesmeyer. Foto: Ebert

Eine der Herbergsmütter: Angelika Dödtmann. Foto: Ebert

Bis zu 146 Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind, sollen hier Ruhe finden, bevor sie auf die Städte und Gemeinden verteilt werden. Dass die Plätze ausreichen, glaubt man im Kreishaus nicht.

Sie warten geduldig, die kleinen Plüschtiere. Ein Strauß, ein Bär, ein Schwein – sie sitzen auf nicht-bezogenen Betten und harren derer, die noch kommen sollen: Kinder aus der Ukraine, mit ihren Familien, geflohen vor einem sinnlosen, verbrecherischen Krieg. Insgesamt bis zu 146 Plätze für neu ankommende Flüchtlinge hat der Landkreis Vechta in einem leerstehenden Wohnheim auf dem Gelände des Marienhains in Vechta geschaffen.

Abgeschlossene Räume mit vier oder auch mehr Betten. Mit eigenem Bad und eigenem Kühlschrank. Mit Schränken und Tischen, nur die Stühle sind noch nicht da. Auch W-Lan soll es geben, damit die Flüchtlinge mit Zurückgebliebenen Kontakt aufnehmen und am Schulunterricht teilnehmen können.

Bis Montag wurden 834 Flüchtlinge aus der Ukraine im Landkreis Vechta registriert. Davon sind 619 weiblich. Von den 215 männlichen Flüchtlingen waren am Montag 156 jünger als 18 Jahre. Das spiegelt auch wider, was für viele ukrainische Familien bittere Realität ist: Familienväter dürfen nicht ausreisen, sie müssen die Heimat gegen die Invasoren verteidigen.

Bisher verlief die Aufnahme oft ohne Voranmeldung

834 – so hoch ist die offizielle Zahl. Die tatsächliche Zahl der hier angekommenen Flüchtlinge dürfte höher liegen, glaubt man im Kreishaus, schließlich können sich Ukrainer visumsfrei für drei Monate in der Europäischen Union aufhalten. Das – und auch die spontanen Hilfstransporte vieler Privatpersonen – hatte in den vergangenen Wochen bisweilen zur Folge, dass Ukrainer ohne Voranmeldung in den Gemeinden und Städten des Landkreises ankamen – und sofort versorgt werden mussten, mit Unterkunft, Nahrung, Hygienebedarf.

Um das Ankommen künftig besser zu strukturieren, hat der Kreis jetzt in einem ehemaligen Schwesterwohnheim im Marienhain ein Zentrum eingerichtet. Flüchtlinge sollen in diesem „Drehkreuz“ (Landrat Tobias Gerdesmeyer) nur wenige Tage bleiben, bevor sie dauerhaft auf die Städte und Gemeinden verteilt werden.

Die Kirche überlässt das Gebäude mietfrei

Das Wohnheim an der Straße „Am Sternbusch“ war in den vergangenen Tagen kurzfristig von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk ausgerüstet worden: Dutzende Stockbetten wurden besorgt und aufgebaut, ebenso Tische und Schränke.

Am Montag stellten der Landkreis und die katholische Kirche die Einrichtung bei einem Pressetermin vor. Die Kirche ist im Spiel, weil das Bischöflich Münstersche Offizialat (BMO) Eigentümer des Marienhains ist. Als der Landkreis nach verfügbaren Gebäuden für eine Flüchtlingsunterkunft gefragt habe, habe man nicht gezögert, erklärte BMO-Verwaltungschef Michael gr. Hackmann.

Eigentlich hätte der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in das Haus einziehen sollen; der stellt nun aber seine Umzugspläne einstweilen zurück, wofür Weihbischof und Offizial Wilfried Theising sowie Landrat Tobias Gerdesmeyer ausdrücklich dankten. Das BMO überlässt das Gebäude mietfrei, nur die Nebenkostenwerden fällig. Theising: Die Unterbringung von Flüchtlingen trage dazu bei, den Ort des Marienhains als „Ort der Nächstenliebe lebendig zu halten“.

Gerdesmeyer: Zahlen von 2015 könnten überstiegen werden

Die Betreuung all jener, die in den kommenden Wochen und Monaten im Marienhain betreut werden, übernehmen in der Zeit von 8 bis 20 Uhr die Herbergseltern Angelika Dödtmann, Izabella Bosch und Andreas Nottbusch. Daneben gibt es eine Nachtbereitschaft.

Gleichwohl betont Landrat Gerdesmeyer: Die Unterkunft im Marienhain sei kein Ort, wo privat hergebrachte Menschen „abgegeben“ werden können. Dafür sei die Landesaufnahmebehörde in Bramsche zuständig; erst von dort sollen die Ukrainer nach Vechta gebracht werden.

Gleichzeitig ist klar: Beim Marienhain wird es nicht bleiben. Derzeit bereitet der Kreis auch Unterkünfte in Endel, Damme und am Dümmer vor. Gerdesmeyer erklärte unlängst gegenüber unserer Redaktion: Wenn die „Flüchtlingsdynamik“ der vergangenen vier Wochen weiter anhalte, würden „die Zahlen von 2015 und 2016 noch übertroffen“.

Philipp Ebert, Natascha Gendler | 22.03.2022

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