Vechta 12.12.2020 Schwester Hilliganda schreibt ein Stück Geschichte

Professor Dr. Franz Bölsker (von links), Schwester Hilliganda Rensing und Schulleiter Johannes Funken in Händen. Foto: Scholz

Ein Stück Geschichte: Die Historie der Liebfrauenschule in Vechta erzählt auf 160 Seiten von der ehemaligen Schulleiterin Schwester Hilliganda. Foto: Scholz

 

Oldenburgische Volkszeitung, 12.12.2020

 

 

Die langjährige Schulleiterin der Vechtaer Liebfrauenschule bringt die Chronik "Gezeiten der Liebfrauenschule" heraus. 154 Jahre sind auf 160 Seiten zusammengefasst.

Jan-Christoph Scholz

Die Aufregung lässt sich Schwester Hilliganda Rensing fast nicht anmerken, als sie nach rund 4 Jahren Bearbeitungszeit nun ihr Werk "Gezeiten der Liebfrauenschule" vorstellen darf. Auf 160 Seiten erzählt die ehemalige Schulleiterin die Geschichte "ihrer" Schule – von den Anfängen im Jahr 1859 bis in die Gegenwart zum Trägerwechsel der Vechtaer Einrichtung im Jahr 2013. Damals gaben die "Schwestern Unserer Lieben Frau" die Trägerschaft ab. Heute kümmert sich die Schulstiftung St. Benedikt.

Der Titel des Buches ist laut der Ordensschwester ganz einfach zu begründen: "Im Laufe ihrer Geschichte hat die Liebfrauenschule viele Aufs und Abs erlebt. Dies soll auch im Titel zum Ausdruck kommen."

"Das ist eine sehr schöne Schulgeschichte geworden", bemerkt Schwester Hilliganda. Viele Jahre, erzählt die heute 88-Jährige dann, habe sie mit dem Gedanken gespielt, ein Buch über die Liebfrauenschule zu schreiben. Immerhin war die Ordensfrau von 1975 bis 1998 insgesamt 23 Jahre lang die Leiterin der Bildungseinrichtung für Mädchen, die sie selbst bereits als Internatsschülerin besucht hatte.

Die Idee, ihr ganzes Wissen über die Schule aufzuschreiben, hat die Ordensfrau vor 4 Jahren zum ersten Mal mit Professor Dr. Franz Bölsker, Leiter der Schulabteilung des Offizialats, diskutiert.  Er war begeistert. Und damit stand damals auch schnell fest, dass die Kirchenbehörde den großen Teil der anstehenden Kosten tragen würde.

"Das Buch will keine wissenschaftliche Publikation sein, es hat aber durchaus wissenschaftlichen Wert", erläutert Bölsker. Das Werk offenbare die große Bedeutung der katholischen Ordensgemeinschaft seit dem 19. Jahrhundert für die Volksbildung. Die Liebfrauenschule, betont Schwester Hilliganda, habe Mädchen im Oldenburger Münsterland die Chance gegeben, ihre berufliche Qualifikation zu verbessern. Damit verbunden war auch der soziale Aufstieg. Lange Zeit nämlich war Bildung ausschließlich der Herren der Schöpfung vorbehalten. 

Liebfrauenschule litt unter den Kriegsjahren

Das Motto der Arbeit an der Schule habe sich laut der Buchautorin nur wenig verändert: "Lehre, was die Mädchen für ihr Leben brauchen" damals – "Stark fürs Leben ... eine Klasse für Dich" heute. Daneben habe sich die Einrichtung auch dadurch ausgezeichnet, dass schon seit Jahrzehnten die Ökumene gelebt werde. 

Schwer wurde es in den 1930er und 1940er Jahren. Noch in den 1930er Jahren seien jüdische Mädchen aufgenommen worden. Doch die Nazis machten es der katholischen Einrichtung schwer. "1940 hat die Schule ihr Todesurteil bekommen, und damit war das Ende eigentlich besiegelt. Doch vielleicht auch mithilfe des lieben Gottes ist die Schule nach dem Krieg wieder von den Toten auferstanden", erzählt Schwester Hilliganda. Was passiert war? Die Einrichtung war im Jahr 1940 kurzerhand in ein Krankenlager umgewandelt worden.

Am 2. Oktober 1945 aber läutete die Schulglocke wieder zum Unterricht. Spätestens von dieser Zeit an war das ULF nicht mehr aus Vechta wegzudenken, wie das Buch von Schwester Hilliganda zeigt. Besondere Schlüsselmomente in der jüngeren Vergangenheit sind für die Ordensfrau zum einen die Oberstufenreform im Jahr 1975 oder auch die Bibeltage, an denen 72 Stunden lang aus der Heiligen Schrift vorgelesen wurde. Für den derzeitigen Schulleiter Johannes Funken ist daneben auch die Romfahrt der Schule zum 150. Geburtstag ein prägender Teil der Schulgeschichte. 

Die Liebfrauenschule sei aus Tradition fortschrittlich, formuliert Johannes Funken den Anspruch. Ein Beispiel aus der Praxis ist der selbstverständliche Einsatz von Tablets im Unterricht. Er sei stolz, das Vermächtnis seiner Vorgängerin Schwester Hilliganda weiterführen zu dürfen, betont Funken. Eine Botschaft hat die ehemalige Schulleiterin zu ihrer Chronik auch noch: "Mädchen sind genauso wichtig wie Jungen." 

Am Buch hat neben der Ordensschwester der Lehrer Manfred Klostermann mitgewirkt. All die Zahlen und Grafiken habe der Mathematiklehrer zusammengetragen, dafür sei sie sehr dankbar, sagt Schwester Hilliganda. "Annalen waren noch nie etwas für mich", sagt sie schmunzelnd.

Für jede ULFe sei die Chronik eigentlich Pflichtlektüre, wirbt die 88-Jährige. Und vielleicht finde sich die eine oder andere Ehemalige auch auf einem der Bilder im Buch wieder. 

Info: Das Buch ist voraussichtlich ab dem 22. Dezember (Dienstag) in den Vechtaer Buchhandlungen und im Schulsekretariat verfügbar. Die erste Auflage umfasst 400 Exemplare, wovon einige bereits reserviert seien. Ein Buch kostet 10 Euro